Technical debt

So behalten Sie die Kontrolle über noch zu bearbeitende Aufgaben

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:

  • Technische Schulden sind definiert als die Kosten für Zusatzarbeiten, die Sie zu einem späteren Zeitpunkt werden leisten müssen, wenn Sie sich heute für den einfachsten Weg entscheiden.
  • Wie Finanzschulden können auch technische Schulden vorteilhaft für Unternehmen sein.
  • Sammeln Sie zu hohe technische Schulden an, können die allerdings auch Probleme bereiten. Wie alle Schulden müssen sie irgendwann zurückgezahlt werden.

Technische Schulden – der Gedanke, dass es sinnvoll sein könnte, klein zu beginnen und zunächst mit minimalem Aufwand brauchbare Produkte (minimum viable products – MVP) zu entwickeln, bevor Sie aufs Ganze gehen und anspruchsvollere Produkte fertigstellen, oder eine Abkürzung zu nehmen, um schneller ein nutzbares System zu bekommen, – ist nicht neu. In Folge der COVID-19-Krise haben ihn viele Unternehmen aber wieder aufgegriffen.

Auf einen Schlag standen Unternehmen und Institutionen auf der ganzen Welt vor der Notwendigkeit, ihre Prozesse und Modelle über Nacht zu digitalisieren. Um ihre Kunden und Auftraggeber weiter bedienen zu können, mussten sie Praktikabilität und Geschwindigkeit über Gründlichkeit und Vollständigkeit stellen.

Aber was wird aus den aufgeschobenen Aufgaben? Wann sollte ein Unternehmen seine technischen Schulden zurückzahlen, und was geschieht, wenn es das niemals tut?

Technische Schulden und ihre Ursachen verstehen

Technische Schulden (auch als Design- oder Code-Schulden bezeichnet), sind ein Konzept in der Softwareentwicklung. Es beschreibt Entwicklungsarbeit, die aufgeschoben wird, um Fristen oder Vorgaben einhalten zu können. Wie viele andere wird auch dieser Begriff nicht nur in der Softwareentwicklung, sondern auch in anderen Branchen und Arbeitsgebieten verwendet. Mit anderen Worten: Technische Schulden sind Arbeiten, die Sie morgen zusätzlich leisten müssen, weil Sie sich heute für eine Abkürzung entschieden haben. 

Zu den häufigsten Gründen, warum Unternehmen technische Schulden machen, zählen:

  • Mangel an Fachkräften mit den notwendigen Kompetenzen
  • zwingende Vorgaben und Druck des Unternehmens (einschließlich der Notwendigkeit, ein Produkt oder eine Software so schnell wie möglich bereitzustellen)
  • im Vorfeld fehlende Definitionen oder Anforderungen, die Änderungen der Spezifikationen im letzten Moment erforderlich machen
  • fehlende Visionen in der Technologie oder fehlende Führung
  • Verzögerungen in Projekten oder Entwicklungszyklen, die dazu führen, dass deren Ergebnisse bereits bei der Fertigstellung überholt sind
  • In Silos oder isoliert geleistete Entwicklungsarbeiten, die zusätzliche Konsolidierungsarbeiten notwendig machen

Ein wichtiges Merkmal technischer Schulden ist, dass sie immer weiter anwachsen. Schlecht designte Systeme sind oft aufwändiger zu warten. Außerdem müssen bei jeder in Zukunft notwendigen Änderung weitere Anpassungen vorgenommen werden, um die Konsistenz und interne Struktur des Systems zu bewahren – was man als “technische Zinsen” bezeichnen könnte.

Gute versus schlechte Schulden

Ward Cunningham, der Entwickler, der die Metapher der technischen Schulden geprägt hat (und übrigens einer der Co-Autoren des Agile-Manifests ist), erläutert die Parallelen in einem Video:

“Mit geborgtem Geld kannst du schneller etwas erreichen als ohne dieses Geld. Bis zur vollständigen Tilgung der Schulden werden allerdings Zinsen fällig (…) Ich dachte, es wäre eine gute Idee, Geld zu borgen. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, eine Software so schnell wie möglich auf die Beine zu stellen und Erfahrungen damit zu sammeln. Selbstverständlich war es aber auch meine Vorstellung, danach zurück zum Ausgangspunkt zu gehen und, nachdem man vieles über die Software gelernt hat, den Kredit durch Refactoring des Programms unter Berücksichtigung der gemachten Erfahrungen zurückzuzahlen.”

So gesehen ist klar, dass technische Schulden genau wie Finanzschulden nicht unbedingt ein Problem sein müssen. Im Gegenteil, technische Schulden in vernünftigem Umfang können ein Unternehmen voranbringen. Minimum viable products oder proof of concepts zu erstellen, kann man als Best Practice betrachten. Und aus Sicht eines Unternehmens ist es sinnvoll, einige kleinere Fehler in Kauf zu nehmen, um Software oder Produkte schneller bereitstellen zu können.

Arbeit auf die Zukunft zu verschieben, kann also einigen Nutzen und Vorteile mit sich bringen. Aber was passiert am Tag der Abrechnung?

Was passiert, wenn Sie Ihre technischen Schulden nicht zurückzahlen?

Womit müssen Unternehmen rechnen, die erhebliche technische Schulden angesammelt haben und es nicht schaffen, sie zurückzuzahlen? Besteht die Möglichkeit, solche Schulden abzuschreiben und niemals zu bezahlen? In der Theorie mag es diese Option geben, praktisch steigen aber die Kosten durch die Verzögerung immer weiter an.

Wie im Bauwesen können aufgeschobene Reparaturen eine Struktur letztlich soweit schädigen, dass sie nicht mehr erhalten werden kann – und im schlimmsten Fall komplett zusammenbricht.

Schlecht designte und gewartete Systeme und Software bedeuten zusätzliche Belastungen für das Personal, reduzieren die Produktivität und erzeugen Stress. Alter, unausgereifter Code wird irgendwann zu verwirrend, um ihn noch verstehen und reparieren zu können. Damit wird die gesamte Software praktisch unbrauchbar. Und die Nutzer leiden darunter.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass Sie Ihre technischen Schulden im Blick behalten. Nur so können Sie angemessen damit umgehen. Im Unterschied zu Finanzschulden, die in Spreadsheets kategorisiert, heruntergebrochen, analysiert und dargestellt werden können, lassen sich technische Schulden ungleich schwerer überwachen und verstehen, es sei denn, die Technologieverantwortlichen verfolgen sie aktiv und entscheiden vorab, wie viel Schulden zu viel wären.

Wollen Sie mehr erfahren über Projektmanagement und neue Technologien? Sie finden weitere, interessante Informationen in unseren Blogbeiträgen:

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Valerie Zeller

Valerie Zeller ist Chief Marketing Officer bei Sciforma. Valeries Hauptinteressen sind Digitale Transformation, Change Management und Strategieumsetzung. Teilen Sie Ihre Meinung mit @valeriezeller